Sodala, jetzt fahre ich meine neue BMW F800GS (Baujahr 2010) seit zwei Wochen (~ 1500km) und liefere ´mal einen Zwischenbericht ab. Vielleicht hilft es dem einen, oder anderen.
Was am meisten interessiert sind naturgemäß die Schwachstellen und beginne damit.
Viele gibt es bisher nicht, aber als echten Schnitzer würde ich ´mal die Sitzbank bezeichnen. Zur Info, ich bin 1.90cm groß und schlappe 75kg schwer: die Montur dazugerechnet kommen wohl ~ 85kg auf´s Bike. Die original einteilige BMW Sitzbank ist eine fiese Folterbank! Sie ist sicher gut für agiles Fahren auf Kurzstrecken geeignet, rutscht mit Lederhose nicht und macht einen wertigen Eindruck. Aber das war´s dann auch schon. Nach wenigen km spürt man das Steißbein schon ganz ordentlich und selbst eine gemächliche Autobahnfahrt ist eine schmerzvolle Angelegenheit. Pardon, aber die 800GS wird als Maschine für mittlere und längere Strecken beworben und ich bin nicht zimperlich, aber mit so einer Sitzbank ist eine Reise unmöglich! Sollte jemand eine Empfehlung für / wider Touratech / Wunderlich /andere Sitzbank-Anbieter abgeben können…herzlichen Dank!
Als gefährliches Problem würde ich die sehr klein geratenen Rückspiegel nennen. Egal wie man sie einstellt, es fehlt der Überblick. Sorry BMW, aber das muß besser gehen!
Hohes original Windschild von BMW: mag es den Oberkörper ein wenig entlasten, die Wirbel treffen trotzdem genau den Helm. Demnächst wird das kleine Windschild wieder montiert und länger getestet, vielleicht ist weniger mehr! Der hohe Windschild beginnt bei über 100km/h übrigens ein wenig zu flattern. Mich stört das ebensowenig wie der „Urinbehälter“, erwähne es aber trotzdem. Ob die anderen Windschilder besser sind, keine Ahnung…eine Alternative überlege ich mir noch.
Die Patzerei beim Tanken wurde schon in anderen Foren erwähnt. Ich kann es bestätigen. Einfach vorsichtiger tanken! Eine Optimierung der Tankanzeige beim Bordcomputer wäre sinnvoller. Eine Befüllung über den empfohlenen Maximalwert führte beispielsweise bei mir dazu, daß das System komplett zu spinnen begann: Restreichweite zuerst 170, dann 190 und dann gar 203km (der Tank war dabei real fast wieder auf Reserve).
Original-Handprotektoren: sie wirken wertig und sehen ganz gut aus…aber warum um alles in der Welt kann man die nicht höher ziehen? Die Schalthebel beim Sturz zu sichern mögen sie hoffentlich bewerkstelligen, als zusätzliche Aufgabe sehe ich es allerdings Fliegen, Regen und Wind von den Fingern abzuhalten! Also wieder ein Kauf einer Alternative beim Zulieferer?
Fehlender Innenkotflügel: werde ich mir nun von Wunderlich zulegen. Das Federbein wird wirklich arg versaut und am Auspuff legt sich ein hartnäckiger Schmier ab. Der BMW Originalsturzbügel (Zubehör) könnte meiner Meinung nach etwas höher gezogen sein, um auch die Tankattrape bei einem Umfaller zu schützen…aber wer weiß, vielleicht haben sich die Techniker dabei etwas gedacht.
ABS…da bin ich zwiegespalten…einerseits ist das ABS sehr sinnvoll, wenn der Motor selbstständig ein Notaus beim Anfahren macht (offensichtlich macht das die BMW sehr gerne, wenn man an einer Kreuzung etwas lasch mit Gas und Kupplung spielt)…andererseits läßt es sich im laufenden Betrieb nicht deaktivieren, was bei unvermittelt miesem Straßenbelag (Schotter bergab, schmieriger Belag) schon für einen Schreck sorgen kann! Aus Faulheit bin ich die BMW noch kaum ohne ABS gefahren, werde aber darüber berichten wenn ich mehr dazu sagen kann.
Blickfeld der Amaturen: die Geschwindigkeitsanzeige ist etwas zu klein ausgefallen und ebenso wie der Tourenmesser nicht optimal im Blickfeld. Ähnlich auch die umständliche Blinkerquitierung in der Eingewöhnungsphase: man neigt dazu einen Extra-Blick zu machen, ob man die Quitiertaste auch tatsächlich gedrückt hat.
Der Original BMW Hauptständer (Sonderausstattung) könnte noch verbessert werden (Optik); hat man den Kniff einmal heraussen (hierzu gibt es ein sehr gutes Video im Internet) wuchtet man die Maschine auch tatsächlich mit Leichtigkeit hoch. Bei falscher Technik tun sich sogar zwei kräftige Leute schwer! Der Umstand basiert allerdings darauf, daß das zugrundeliegende Konzept nicht intuitiv ist. Ich bin vorher immer in die Krümmung getreten, was so einfach nicht funktioniert. Ein kleiner Hinweis im BMW Handbuch sich mit einem Bein voll auf die Spitze des Hauptständers zu stellen und die Maschine kommen zu lassen, hätte alles erklärt.
Jetzt auch zu den Pro´s:
Abgesehen von der horriblen Sitzbank und den Kleinigkeiten oben, eine wirklich gelungene Maschine. So schwerfällig sie beim Schieben wirkt, so leichtgängig ist sie, wenn sie ´mal rollt. Am Fahrwerk und am Motor kann ich nun wirklich nichts aussetzen. Es mag auch an den aufgezogenen Michelin Anakee Reifen liegen (Mischungskompromiß für Straße und Offroad), die BMW laßt sich auch bei schlechten Verhältnissen wirklich toll und sicher in die Kurven legen. Mehr als ich´s bisher von jeder Enduro gewöhnt war. Der Motor zieht dort wo man´s braucht ordentlich durch und hat gehörige Reserven. Vielleicht möchte jemand noch mehr weggerissen werden: Ich denke, dafür sollte man sich eine andere Sorte Maschine überlegen. Für die BMW F800GS paßt das 85PS Konzept voll! Die Kette reißt nicht unvermittelt an, die Kraft wird sauber auf die Straße umgesetzt und nicht in sinnloses Durchdrehen. Man hat die Maschine einfach immer in der Hand und gleichzeitig überrascht das Teil so manchen Fahrfehler auszubügeln. Eigentlich schlimm…man tendiert dazu die Maschine immer agiler zu fahren, weil sie so sicher und berechenbar wirkt. Vibrationen die über 100kmh auftreten rechne ich hauptsächlich dem hohen Windschild, der Helm-Aerodynamik und der Fläche des Fahrers zu. Möglicherweise wirken sich hier kleine Veränderungen schon stark aus.
Über die Autobahn-Qualitäten (siehe Sitzbank) kann man streiten, aber auf kurvigen Passtraßen mit abwechselnder Geschwindigkeit kommt man voll auf seine Rechnung…die Gänge rauf und runter zu jagen ist mit dem Gerät wirklich ein Spaß.
Noch eine Anmerkung zu den BMW-Plastik Koffern…bin damit zufrieden und kann sie empfehlen. Sehr praktisch dieses volumenverstellbare System und wirkt insges. solide verarbeitet. Achtung, daß die Koffer auch wirklich gut eingerastet sind…man übersieht das schnell, weil der Verschluß kein Klickgeräusch von sich gibt.
In ein paar Monaten, oder bei gegebenen Anlaß mache ich ein Update zu dem Thema. Hoffe ich konnte irgendwem mit den Zeilen helfen.
Nachtrag zum Schubert C3: Lautes Dauerrauschen! Der Lufteinlaß am Scheitel ist derart stark, daß er bei über 50km/h nur kurz verwendet werden kann…es gab im Mittelalter eine Foltermethode, wo dem Delinquenten immer nur ein Wassertropfen auf die selbe Stelle des Kopfes geträufelt wurde…ähnlich ist es mit dem kühlen Luftdurchzug…man bekommt Kopfweh davon! Der Luftschlitz im Kinnbereich läßt den Strom am Mund vorbei hinauf zur Stirn gleiten…kurzfristig gut, langfristig könnte man einen Gesichtsnerv beleidigen. Der Strom ist einfach zu stark. Das Visier läßt sich nicht nach vorne versetzen um Luft einzulassen, sondern nur nach oben verschieben. Fazit: man bekommt die Luft und die Fliegen direkt auf die Zähne. Zum kompletten verschließen benötigt man gleichzeitigen kräftigen Druck mit zwei Fingern auf die beiden links und rechts gelegenen Visierwülste…hat man diesen Trick nicht heraussen, regnet es zwischen Visir und Helm herein und spritzt exakt in die Augen! Der Paukenzug-Verschluß funktioniert sehr gut, man sei allerdings gewarnt auf beidseitiges Klicken zu achten! Ein Teil des Kinnriemens schlägt bei der Fahrt von aussen gegen den Helm…nach dem Anpassen sollte dieser überstehende Teil gekürzt werden. Das Kinnteil drückt über den Kinnriemen von oben an den Kehlkopf, was wirklich unangehm ist. Um den Druck des Kinnriemens aufzunehmen, wurden zwei Laschen mit Klettverschluß integriert…die Lösung wirkt unausgegoren und unangenehm. Der Kinnriemen sollte beim Abnehmen des Helms umgehend verschlossen werden, weil es defacto keine ordentliche Griffmöglickeit für den Helm gibt. Er liegt sonst unvermittelt am Boden. Das Visier mag beschichtet sein, um Beschlag zu verhindern…er tut es auch ganz gut, aber trotzdem noch ungeputzt, Wasser perlt nicht ab. Gleichzeitig führt Feuchtigkeit im Helm dazu, daß das Sonnenvisier über längere Zeit matt wirkt.
Sehr gut ist am C3, daß selbst bei ströhmenden Regen kein Wasser in´s Genick läuft! Der Helm ist unheimlich leicht und verschlägt auch bei hohen Geschwindigkeiten nicht.
Wenn ich schon dabei bin, dann auch noch ein paar Anmerkungen zu Hein Gerickes Gortex Pro Shell Kombi:
Absolut wasserdicht und atmungsaktiv. Die Verarbeitung wirkt sehr solide, wenn sich auch manchmal ein Reissverschluß verzwickt. An der Armbeuge wurde Leder ausgespart und nur Goretex eingesetzt…gut für die Bewegung und die Belüftung, auch wasserdicht, aber wenn oberflächlich feucht, dann wird es genau dort recht kalt! Das Winter-Innenfutter habe ich allerdings derzeit herausgenommen. Die Seitentaschen der Jacke könnten einen Deut weiter nach vorne versetzt werden, damit man auch ordentlich Zugang zu den Taschen hat (Anm.: ich bin spindeldürr, nur um ein explizites Komentar von wegen Bauchumfang gleich vorweg zu nehmen). Eine zweite Brusttasche wäre wünschenswert. Die Protektoren sind ok und drücken nicht, wobei es bei den Ellbogen eine Gewöhnungssache ist. An der Jacke gibt es nichts weiter auszusetzen.
Zur Hose: Verarbeitung wirkt auch hier sehr solide, das Model für die Passform ist mir allerdings schleierhaft. Bei enger Tailie muß der gute Mann einen riesen Fettarsch gehabt haben. Selbst wenn man durch das Hinsetzen etwas zusätzliches Material implementiert hat, das ist einfach zu viel des Guten (hoffe ich finde einen passenden Lederschneider). Bund und Taschen sind völlig in Ordnung, das Zusammenzippen mit der Jacke funktioniert auch prima. Ebenso wie bei der Jacke habe ich das herausnehmbare Innenfutter derzeit enfernt. Als nun wirklich negativ muß ich die Knieprotektoren bewerten. Die Dinger reiben arg, vorzugsweise am linken Knie.