Christian Beuthe
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Mehr als Sand und Dünen ...
« Wüsten sind schillernde Orte »
Der Fotograf Michael Martin erzähl, wie unterschiedlich wir sie auf Reisen erleben können: Fragte Ich die Besucher meiner Vorträge, woran sie denken, wenn sie sich die Wüste vorstellen, so würden sie antworten, dass sie sich Sand vorstellen, Sand so weit das Auge reicht, nur Dünen und einen flimmernden Horizont. Und fragte ich dann weiter, welche Wüste wohl ihrer Vorstellung entspräche, so würden sie mit Sicherheit nicht Rub al Khali oder Negev sagen, sondern Sahara.
Seltsam, nicht? Ich meine, es ist seltsam, weil sich die Menschen etwas vorstellen, das mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hat. Denn neun Zehntel der Sahara bestehen aus Geröll, aus Stein und Kies. Warum also Sand und Dünen? Ich bin nicht sicher, aber vielleicht ist es einfach so, dass wir für schwierige Begriffe einfache Symbole brauchen, Bilder, die an ihre Stelle treten. Mit den Bergen ist es ja nicht anders. Wenn wir an die Berge denken, dann haben wir das Matterhorn im Kopf. Das Matterhorn, obwohl kein anderer Berg dessen besondere Form besitzt.
Ich glaube, manchmal denken wir Erwachsenen wie die Kinder, wir denken in denselben Bildern. Sand und Dünen, das sind die Wüstenbilder unserer Kinderbücher.
Mir selbst fällt es auch nicht leicht zu sagen, was Wüste wirklich ist, selbst wenn ich ein halbes Leben in den Wüsten dieser Welt verbracht habe. Sie sind alle so unterschiedlich. Nehmen Sie die Gobi in Zentralasien, die eigentlich mehr Steppe ist als Wüste; nach extremen Dürresommern fällt das Thermometer winters dort auf bis zu minus 40 Grad. Oder nehmen Sie die Atacama, eine Küstenwüste, Südamerika, auf die unser Klischee der heißen, trockenen Sandwüste ebenfalls nicht zutrifft. Die Atacama mag zwar weitestgehend frei von Niederschlägen sein, andererseits aber grenzt sie an den Humboldtstrom und ist deshalb recht feucht.
Was ich damit sagen will: Es hat nicht sehr viel Sinn, all diese Wüsten über einen Kamm zu Scheren, weder sie noch all die Menschen, die in ihnen leben, seien es mongolische Hirtenvölker, die in ihren alten Jurten sitzen, oder australische Nomaden, die in beheizten Wohncontainern hausen und ihr Vieh mit Hubschraubern zusammentreiben. Das alles ist doch eine Frage der Perspektive.
Wenn ich in diesen Tagen an die Wüste denke, dann denke ich an sie als Vortragsreisender. Als einer, der heute hier auftritt und morgen dort, der überflutet ist von Eindrücken und der sein Leben Teils wie einen Film im Zeitraffer wahrnimmt. Als Vortragsreisender kann ich nun sagen, dass mir die Wüste wie ein Gegenkonzept zu unserem städtischen Alltag vorkommt. Sie ist ein Ort, der einen ausbremst; ein Ort der Reduktion, dessen Reiz gerade in der Abwesenheit von Reizen liegt. Es gibt dort keine Menschen, es gibt dort keine Termine, keine Autos, keinen Stau. Stattdessen gibt es Weite und Natur und Licht, Licht, Licht.
Wenn ich als Fotograf an die Wüste denke, dann denke ich vor allem daran: an das Licht des Wüstenwinters. Ein warmes Licht, nicht aggressiv, und doch mit einer Kraft zum Fliegen austreiben. Fünf Jahre sind wir unterwegs gewesen, meine Lebensgefährtin Elke und ich, 50 Länder haben wir durchquert in 920 Tagen, alle Kontinente, alle Wüsten, und nur das Licht hat die Tage strukturiert. Wenn es gut war, blieben wir, filmten und fotografierten. Unser Motorrad müssen Sie sich vorstellen wie ein Fotostudio auf Rädern, bepackt mit Dutzenden Stativen, Schirmen, Kameras. Einen Werk- zeugkoffer hatten wir dabei, Wasser für drei Tage und Benzin, doch nicht einmal ein Hemd zum wechseln. Geschlafen haben wir im Freien, aber wo das sein würde, das war uns, wenn wir morgens aufgebrochen sind, nur selten klar.

Denn eines darf man nicht vergessen: Trotz der modernen Navigationssysteme ist das Durchqueren einer Wüste nach wie vor eine ungeheure Herausforderung. Das GPS-Gerät sagt mir zwar, dass sich in 320 Kilometer Entfernung eine Oase befindet, aber es schweigt über den Weg dorthin. Wie oft standen wir in Schluchten, aus denen es keinen Ausweg gab, wie viele Vormittage haben wir damit verbracht, unser Motorrad freizuschaufeln. Kein GPS-Gerät der Welt zeigt an, wo Landminen im Boden stecken, und es sagt auch nicht, dass man als Individualreisender im Iran kein Visum kriegt. In Togo sahen wir uns eines Morgens von einem Rebellentrupp umstellt. Die Männer kontrollierten unsere ****, sie hielten uns die Waffen vor, zwei Stunden land, dann nahmen sie das Flickzeug und setzten uns auf freien Fuß.
Wir hatten Glück. Doch was ich meine ist, so sehr die neue Technik bei der Orientierung hilft, so sehr sie also die Gefahr bann, zu verdursten, so wenig nimmt sie einem die Ungewissheit. Wenn Sie erfahren wollen, an welcher Piste auf dem Weg von Mauretanien nach Mali Banditen lauern, dann bleibt nur eins: Sie müssen die Menschen fragen, die dort leben.
Anders als das Auto, ist das Motorrad dabei eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme. Wenn Sie derart ungeschützt daherkommen, sind Sie für die Menschen gleich viel greifbarer. Sie wirken weniger bedrohlich, zumal wenn sie als Pärchen unterwegs sind. Mir fiel es nie schwer, mit Wüsten- menschen in Kontakt zu kommen, mir schien, dass sie im Grunde neugierig auf Fremde sind. Ihr Leben ist ja nicht so reich an Abwechslungen. Aber Reichtum ist individuell, ist eine Frage des Seins.
Ich will ein Beispiel geben. Vor 20 Jahren saß ich mal für eine Woche fest, wes war eine kleine Oase, irgendwo in Mali, und ich ging dort jeden Tag in einen Kaufmannsladen, um Wasser zu besorgen. Mit dem Besitzer habe ich nie mehr als ein paar Worte wechseln können, doch als ich im vergangenen Jahr wieder in dieser Oase rastete, gegrüßte mich derselbe Kaufmann überschwänglich. Er rief: Michel, Michel! Der alte Mann hat sich nach dieser langen Zeit an mich erinnert. Ich hatte ihn schon längst vergessen. Es ist eben das Sein, welches das Bewußtsein bestimmt.
Als Europäer ist man in der Wüste ein Exot, etwas Besonderes. Ich glaube, es ist deshalb umso wichtiger, dass man die Menschen mit Respekt behandelt (… und nicht nur dort!). Ich habe stets versucht, ihnen etwas zurückzugeben, und Sie glauben gar nicht, wie sehr sich jemand über ein einfaches Polaroid-Bild freuen kann. Es ist ein Festtag. Die Menschen treiben ihre ganze Familie zusammen, Kinder werden umgezogen, alles wegen dieses einen Bildes, ich würde heute nie mehr ohne Polaroidbild-Kamera in eine Wüste fahren.
Um diese Sache mit den Bildern zu verstehen, muss man vielleicht wissen, dass es in Afrika zwar 2.000 Sprachen gibt, doch gerade zwei von ihnen haben eine Schrift. Die afrikanische Kultur war immer eine mündliche, Geschichte wird erzählt; und wenn Sie dieses in Betracht ziehen, dann erkennen Sie, was für einen Wert ein solches Polaroid besitzen kann. Es ist so etwas wie ein historisches Dokument.
Wenn Sie so wollen, dann ist das, was ich bei meinen Vorträgen tue, davon nicht wesentlich verschieden. Auf meinen Veranstaltungen zeige ich Bilder und erzähle dazu eine Geschichte. Für mich ist dies die adäquate Form, Erlebnisse mitzuteilen. Ich bin kein Chatwin und kein Livingstone. Ich bin nicht in der Lage, verklärende Romane aufzuschreiben. Ich habe mich nur einfach immer hingestellt und vorgetragen, sachlich, nüchtern. Eine Abenteuerstory der Art „Mein Weg durch die Wüste des Todes“ werden Sie von mir nicht hören.

Dabei war schon auch Abenteuerlust dabei, als ich mit 17 meine ersten Touren unternahm. Mit dem Mofa sind ein Freund und ich nach Spanien gefahren, in den Schulferien, wir wollten unbedingt nach Almeria, um die Europäische Süd-Sternwarte zu besuchen. Von dort ging es dann weiter nach Marokko, Sterne gucken in der Wüste, und ich war damals ein fanatischer Hobby-Astronom, und was ich sah, war eine Zauberlandschaft. Die Sahara schien mir wie ein riesengroßer Abenteuerspiel- platz gleich vor unserer Haustür. Ich fuhr wieder hin und wieder, ich hielt zu Hause Vorträge darüber und finanzierte so die nächsten Reisen. Als ich später Geographie studierte, was das Interesse an den Sternen erloschen. Ich begann, die Wüste mit den Augen eines Wissenschaftlers zu betrachten.
Heute liegt mir viel daran, in meinen Vorträgen zu zeigen, was für ein schützenswerter Ort die Wüste ist. Anders als die Berge oder Wälder hat die Wüste keine Lobby, sie wird als Müllhalde für Chemie- kalien benutzt, Amerikaner und Chinesen haben hier ihre Atomwaffentests gemacht. Viele Wüsten breiten sich durch zu viel Ackerbau und durch zu große Rinderherden aus. Und dort, wo die Moderne Einzug hält, wo nicht die Armut Überkommenes bewahrt, werden aus Nomaden Erdölarbeiter, die Ihre Trachten ablegen und stattdessen T-Shirts tragen. Die Wüsten sind bedroht, aber im Gegensatz zum Wald betrachten viele sie als lebensfeindliches Gebiet. Sie denken, dass die Wüsten überflüssig sind, totes Terrain. Sie übersehen, dass sie sehr wichtig sind für den globalen Klimahaushalt.
Aber diese Lebensfeindlichkeit hat auch ihr Gutes. Ich habe durch all die Reisen eine ungeheure Kraft gewonnen, ich gebe nicht gleich auf, wenn ich auf Widerstände stoße. Die Wüste macht einen Geduldig, und meistens hilft mir das auch hier, zumindest eine Weile lang, dann spüre ich das Kribbeln wieder.
Quelle: Frankfurter Rundschau vom 19.01.2005 von Marian Blasberg __________________________________________________

MICHAEL MARTIN
Schon mit 17 Jahren habe er seine Leidenschaft für Wüsten entdeckt, sagt der Münchner Michael Martin. Das war 1980. Seither unternahm er 80 Reisen in die Wüsten Afrikas, fotografierte und erforschte diese Gebiete. Das Ergebnis: 15 Bildbände und über 1.000 Diavorträge – unter anderem vor der Royal Geographical Society in London. 1999 begann der diplomierte Geograph dann sein weltumspannendes Fotoprojekt „Die Wüsten der Erde“. Für das gleichnamige Fotobuch bekam er internationales Lob.
MICHAEL MARTINS WÜSTENTIPP
Für Wüstenanfänger empfiehlt sich ein Trip in die Namib-Wüste in Namibia. Die Namib ist eine überschaubare Größe, besitzt eine gute Infrastruktur, und es gibt weder Probleme mit der Sicher- heit noch mit Tropenkrankheiten. Ein Flug von Deutschland aus ist über Windhuk zum Beispiel mit LTU oder Air Namibia möglich. Am Zielflughafen sollte man sich einen Mietwagen nehmen und dann, am besten während der dortigen Wintermonate, zwischen Mai und September, drei Wochen auf eigene Faust die Wüste erkunden.
Tagsüber ist es um die 20 Grad warm, nachts kühlt es bis auf null Grad ab. Zu dieser Zeit gibt es keine Schlangen in der Wüste. Übernachten sollte man im eigenen Zelt auf einem der Campig- plätze oder unter freiem Himmel, um so die Weite und Romantik der Wüste richtig genießen zu können. __________________________________________________

... nur ein Meer aus Sand und Dünen ???
Kurzbeschreibung: Michael Martin, Fotograf, Diplom-Geograf und Abenteurer, hat fünf Jahre lang die Wüsten dieser Welt bereist. Auf 300 Farbfotos zeigt er ihre ganze, abwechslungsreiche Pracht. Der umfangreiche Text basiert auf aktuellem wissenschaftlichem Stand und wird von Experten-Beiträgen zu Spezialthemen ergänzt.
Beschreibung zu: Die Wüsten der Erde Ein Drittel der Erdoberfläche besteht aus Wüsten und Halbwüsten. Doch Wüste ist mehr als Sand, ist eine Vielfalt von Landschaftsformen und ein extremer Lebensraum für Menschen, Pflanzen und Tiere. Michael Martin, Fotograf, Abenteurer, und Deutschlands bekanntester Vortragskünstler, hat sie alle gesehen: das endlose Sandmeer der arabischen Rub al-Khali; die von den großen Gebirgsketten abgeschirmten Becken Zentralasiens; die Felsgebirge der Sahara, die so vielgestaltig sind wie ein eigener Kontinent; die Trockengebiete in Nordamerika mit ihren faszinierenden Pflanzenwelten; die einsamen Wüsten Australiens; die Küstenwüsten Perus und Chiles; die Danakil am Horn von Afrika mit ihren spektakulären Vulkanen und die Namib mit ihren ins Meer abbrechenden Dünen. Doch Michael Martin geht es nicht nur um die Landschaft, genauso wichtig sind ihm die Menschen, die seit Jahrtausenden mit und in der Wüste leben. In beeindruckenden Bildern fängt er die facettenreiche Kultur der Nomaden ein. Fünf Jahre lang ist Michael Martin mit seiner Lebensgefährtin und Kamerafrau Elke Wallner, die dabei eine Fernsehdokumentation drehte, durch alle Wüsten der Erde und mehr als 52 Länder gereist, darunter so schwierige wie Afghanistan, Turkmenistan oder den Tschad. Sämtliche Motive wurden exklusiv und aus einer Hand für dieses Buch fotografiert. Auch der umfangreiche Text von Michael Martin genügt höchsten Ansprüchen. Als Diplom-Geograf selbst fachkundig, hat er die aktuelle wissenschaftliche Literatur zu Rate gezogen. Zur Ergänzung gibt es Texte von Wissen- schaftlern zu Spezialthemen. Zudem bieten 18 hochaktuelle, auf Satellitenbildern beruhende Karten, Information und Orientierung.

Die Wüsten der Erde Autor: Michael Martin Verlag: Frederking & Thaler Buch, 372 S., Gebunden, Erschienen: September 2004 ISBN 3-89405-435-2 EUR 50,00 www.michael-martin.de __________________________________________________ ... Wüste ist anders, als frau/mann denkt. Wüste ist einzigartig, ist faszinierend.
Herzlichen Gruss chris-XX
PS. ... dazu die passenden Specials in MOTORRAD:
Teil 1: Arabien, Asien und Australien - MOTORRAD 22/2004
Teil 2: Süd- und Nordamerika - MOTORRAD 24/2004
Teil 3: Sahara - MOTORRAD 01/2005

Reisefieber: When the music is over ...
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