Gregor Grünberger in

„Der Sandler“

Der nach einer Verleumdung der übelsten Sorte völlig verarmte, ehemalige Fahrlehrer kommt an einem Maiabend mittellos in Europas zweitgrösster Metropole an.

LONDON

Nach der Abschiebung inklusive 6 Wochen Arrest in einem Privatgefängniss des Department of Homeland Security der Vereinigten Staaten von Amerika ist das aus Sicht des inzwischen zum Sandler avancierten Fahrlehrers die cleverste Entscheidung. Die Einreise in die USA ist aufgrund der Abschiebung kaum möglich, und in seinem Geburtsland Österreich ist er nicht Arbeits- und fast nicht Lebensfähig.
Wie wird sich der, wegen einer fehlenden Krankenversicherung am Stock gehende Sandler im Londoner Sandlermilieu behaupten? In dem Privatknast in Texas war er aufgrund seines auffallend starken Trainingspensum von 1200 Sideups und ebensovielen Liegestütz relativ rasch der Teamleader von 12 Mannen.

Nun, nach der Ankunft in der Victoria Coach Station gleich nach Mayfair, ein Stadtteil, vergleichbar mit der Wiener Innenstadt. Und die kennt der Sandler wie seine Westentasche.
Doch wo Übernachten? Der Greenpark bietet sich an oder doch im St. James Park. Beides erscheint dem Sandler zu gefährlich, also auf zum Berkeley Square.
Beim Berkeley Square sieht er dann etwas, das man in Wien nicht sieht.

Einen Rolls Royce Händler. Woow

Doch was nun? Es ist dunkel und kalt, und sowohl der Berkeley Square als auch der Händler sind schon geschlossen. Um sich auszurasten setzt sich der Sandler in der Nähe des Rolls Royce Händler im Schlafsack auf den Boden. Nach einer Weile parkt sich direkt vor ihm ein Majestetisches Gefährt ein: Ein Rolls Royce Phantom. Kurz darauf rollt ein Bugatti Veron die Strasse runter. Völlig unauffällig. Nur der Sound ist etwas speziell. Plötzlich fängt es zu blitzen an.

Nicht vom Himmel. Von den Fotoapparaten.

 … der Sandler ist so viel Rummel um seine Person nicht gewohnt und versucht zu flüchten. Geblendet vom künstlich erzeugten Wetterleuchten übersieht er, daß er den Fußbereich des Schlafsackes gegen Lausbefall geschlossen hat und Zack … legt’s ihn der Länge nach hin. Sofort setzt das Blitzgewitter erneut voll ein, sodaß ihm trotz des widerstandsfähigen Häfentweeds den er trägt, beinahe der Buckel verbrannt wird. Er richtet sich halb auf und greift sich eine auf dem Boden neben ihm liegende Herald Tribune, welche er sich vor das Gesicht hält um nicht erkannt zu werden, während er seinen Körper ganz aufrichtet.
Er will sich eben durch eine Lücke in der Phalanx der Reporter zwängen, da übertönt ein spitzer Schrei den Kreisverkehr des Sqares, der sich in der falschen Richtung herum bewegt: "LOOK … Oh My One And Only GOD !! He’s still Alive !!!"und es bildet sich blitzartig erneut ein Kreis um ihn - diesmal absolut lückenlos, ein Entrinnen bis zum Piccadilly Circus, wo er in besseren Tagen ein Mopedauto incognito in einem Parkhaus abgestellt hatte, schien momentan unmöglich.

Demotiviert läßt er die bisher hochgehaltene Zeitung sinken - dabei fällt sein Blick auf die Titelseite. Sie zeigt ganzseitig das lebensgroße Konterfei des gestern von russischen Annektionstruppen in Syrien erschossenen Abn’Scha-MaHallaLal, welcher der Anführer der Sithlija-Kämpfer gewesen war.

… … … …

Der Sandler hört einen der Reporter sagen: „Das ist er nicht.“, und schon zieht die Masse weiter zu einem der In-Lokale in der Gegend. Noch geschockt von dem Ereigniss beschliesst der Sandler sich nun doch auf den Weg zum Picadilly Circus zu machen. Mit der Zeitung in der Hand humpelt der Sandler Richtung Bondstreet und begegnet einem anderen Sandler, Dieser bietet ihm feinste Konfitüre, bestehend aus weissen und schwarzen Schokokügelchen aus dem Feinkostladen der ‚Arkade‘ an. Hungrig greift der Sandler zu. Er hat heute noch nichts gegessen. Wie der andere Sandler an die Schokolade gekommen ist will er nicht verraten. Ein kurzes „Its not easy to get“ und „I have to work“ beenden die Begegnung.

Um das Festmahl zu verschmausen setzt sich der Sandler in der Nähe der DIOR-Boutique in der Bondstreet auf seinen Schlafsack. Die Konfitüre zerinnt auf der Zunge. An ein weitergehen ist nicht zu denken, der Fuss schmerzt. Der Sandler beschliesst sich dem Artikel über Abn’Scha-MaHallaLal zu widmen. Doch dann passiert etwas unerwartetes.

Ein Rolls Royce Coupe hält vor der DIOR-Boutique. An sich nichts ungewöhnliches, doch die Boutique sowie alle anderen Shops in der Bondstreet sind schon geschlossen. Es ist dunkel und er sieht wie ein Mann arabischen Aussehens austeigt, um den Rolls herumgeht und einer eleganten Lady die Beifahrertüre öffnet. Der Sandler denkt sich „Die kenn ich doch“. Wie Schuppen fällt es ihm von den Augen. Es ist

LADY DIANA

Wie ist das möglich, dann kann der Fahrer nur Dodi al Fayed sein. Noch immer ungläubig staunend spürt der Sandler eine nasse Hundzunge über sein Gesicht gleiten.
Er ist wieder wach.

… … …

TUUUT

Der Ozeankreuzer der Norwegian Cruis Line legt vom Hafen in Kopenhagen ab. Langsam entfernt sich das Festland, der Beginn einer langen Reise über den Atlantik steht bevor. Der von dem psychiatrischem Sachverständigengutachten eines Aixamfahrers schwer traumatisierte Fahrlehrer will mit nur 400 Dollar in der Tasche in den USA ein neues Leben beginnen.
Zu tief sitzt die Endtäuschung nach diesen dreisten Verleumdungen und Diffamierungen seiner Person. Wieviele Menschen vor ihm haben diese Reise wohl gemacht? Speziel in den 1940ern müssen hier ganze Völkerwanderungen stattgefunden haben.

Auf der Flucht vor den Nazis.

Wer es geschafft hat ist der Unterbringung in einem KZ entronnen. Dort will niemand landen. Aber wie sollte man sich wehren, wenn ein Nazi behauptete man sei ein Jude. Wissenschaftlich belegt.

Die Reise führt vorbei am Kanal Richtung Miami mit einem kurzen Zwischenstopp am ‚Ponta Delgada‘ auf den Azoren. Danach liegen viele Tage auf offener See vor dem Kreuzer. Meer, Meer, nichts als Meer. Was gibt es schöneres?
Wie wird das Leben in der Neuen Welt aussehen, auf einem Kontinent wo man niemanden kennt? Ein mulmiges Gefühl macht sich bei dem Fahrlehrer breit. Nach den drei Suizidversuchen MUSS das Leben irgendwie weitergehen.

Viele Gedanken gehen dem Fahrlehrer durch den Kopf, während Kopenhagen bald nicht mehr zu sehen ist. Nein, er hat abgeschlossen mit Europa, will hier nicht mehr sein.
Mit einem letzten Blick vom Heck des Schiffes geht der Fahrlehrer Richtung Kabine, leise murmelt er vor sich hin:

Die sehen mich nie wieder!!!

[center]4 Monate[/center]

Solange müsste der Fahrlehrer in Haft, falls er sich in den nächsten 3 Jahren etwas zuschulden kommen lässt. Der Erstrichter hat ihn wegen

[center]Versuchter Nötigung[/center]

zu dieser Haftstrafe verurteilt. Mildernd wirkte sich die bisherige Unbescholtenheit aus.
Der Fahrlehrer war davor noch nie als Angeklagter vor Gericht gestanden. Aber konnte der Fahrlehrer das Urteil, wonach er versucht hatte die weltweit anerkannte Spezialistin auf dem Gebiet des Autismus dazu zu nötigen ihr Gutachten wonach sein Sohn ein schwerer, genetischer Autist ist zu ändern, annehmen?

Noch im Gerichtssaal rief er: „Ich nehme das Urteil nicht an.“

Nun began der RECHTSSTAAT seine Arbeit aufzunehmen.

Ebenso wie die Justiz.

Nur wenige Tage nach dem Urteil erhielt die weltweit anerkannte Spezialistin auf dem Gebiet des Autismus eine telefonische Morddrohung.

… … …

Der Serbe

Er ist Serbe. Und Jugoslawe. Er kämpft für „sein“ Jugoslawien mit aller Härte. Jugoslawien soll und MUSS sich vergrössern. Ohne Mitleid. Die Bombenkrater in Kroatien interessieren ihn nicht. Das ist nur ein „Loch“ sagt er. SEIN Urteil ist gefällt. Jugoslawien über alles. Das ist SEIN Kampfspruch. Und er sucht Mitkämpfer. Wichtig: Am Ende des Nachnahmens ein „IC“.

Doch was hat der Serbe mit „dem Sandler“ zu tun?

Wird der Serbe am Schluss vielleicht selbst ein Sandler sein?

… … …

[center]Der Rechtsstaat hat gesprochen[/center]

Schlichtweg Verrückt. Schon das Vorgutachten des Aixamfahrenden, allgemein beeideten, gerichtlich zertifizierten Sachverständingen wies deutlich darauf hin. Und dann die Antwort auf nahezu jede Frage des Erstrichters, das sein Sohn unter dem Deckmantel des Autismus mißhandelt wird. Daher entschied der Senatspräsident vom Oberlandesgericht Wien genau richtig.

Das Urteil wegen der versuchten Nötigung ist aufzuheben, das Verfahren an das Straflandesgericht Wien zurückzuverweisen und neu zu verhandeln.

Aber vorher MUSS der Aixamfahrende, allgemein beeidete, gerichtlich zertifizierten Sachverständinge den Fahrlehrer auf seine Zurechnungsfähigkeit überprüfen.

Eine Besachwaltung steht im Raum.

Der Rechtsstaat hat gesprochen.

… … …

Die Winter sind kalt in London. Den Sandler hat es nach Las Palmas de Gran Canaria verschlagen. Hier lässt es sich im Schlafsack recht angenehm Übernachten. Wie jeden Abend sitzt er am Strand von Las Canteras und blickt sehnsüchtig über den Atlantik Richtung Nordamerika.

2019 will der Sandler wieder in die USA einreisen, 5 Jahre nachdem er das freiwillige Einreiseverbot für 5 Jahre im Privatgefängniss des Department of Homeland Security unterschrieben hat. Wird Donald Trump etwas dagegen haben denkt er sich.

An den kalten Tagen zieht es ihn zum Plaza de España, ein unbenutzter Hauseingang neben dem dortigen McDonalds dient ihm als Liegeplatz am Tag. Zwei Polizisten fragen ihn woher er kommt und gehen weiter. Der Hunger wird immer grösser, aber der Sandler erträgt dies still. Eine Frau arabischen Aussehens frägt ihn ob er etwas zum Essen will, und kommt kurze Zeit darauf mit einem McDonalds Menu zurück. Mit einem „Gracia“ bedankt sich der Sandler für die Hilfe in der Not.

Fast wäre die Reise weiter nach Kap Verde gegangen, aber mit einem abgelaufenem Reisepass ist dies nicht möglich. Schade denkt sich der Sandler, warum ist den Kap Verde nicht bei der EU, und krammt in seinen Geldleeren Taschen herum. Um dies zu änder hat der Sandler folgendes vor:

Er wird in London eine Firma gründen.

… … …

der Großvater

Wie so oft liegt der Sandler an einem seiner Lieblingsplätze an der Themse in London. Hier ruht er sich von den unruhigen Nächten in der Metropole tagsüber aus. Es ist gefährlich geworden, Terroranschläge haben die Stadt in den letzten Monaten erschüttert. Man könnte meinen hier herrscht Krieg.

In den Wachpausen blickt er auf das gegenüberliegende Tate Modern, ein Museum auf der anderen Seite der Themse. Touristenboote fahren alle paar Minuten vorbei, in der Luft sieht man sehr oft Militärhubschrauber. Und dann sind da noch die Möwen, deren Gelächter jede Nacht für ein bisschen Glück und Hoffnung sorgen. Sooft es dem Sandler möglich ist füttert er seine Lieblingstiere.
Glück und Hoffnung ist genau das was der Sandler braucht, hat er doch seit der Traumatisierung durch den Aixamfahrenden, psychiatrischen Sachverständigen beträchtliche Konzentrationsschwierigkeiten.

Manchmal denkt der Sandler an seine Großväter die er nie kennengelernt hatte, beide sind im zweiten Weltkrieg verschollen, nie wieder aufgetaucht. Wohin hat es sie verschlagen, welches Leben haben sie geführt. Viel weiß der Sandler nicht über seinen Stammbaum.
Von einem der beiden ist jedoch etwas bekannt:

Er war Autor und hat ein Buch geschrieben.

… … …

City of London

Westminster ist schwierig geworden.
Die anderen Sandler gehen sehr hart miteinander um, Messer sind hier keine Seltenheit. Etwas sicherer ist es in der City of London, die City hat eine eigene Polizeibehörde und Sandler werden hier schonungslos vertrieben. Immerhin ist die City of London einer der größten Finanzplätze der Welt.
Wie jeden Abend wartet der Sandler geduldig bei einem der Fast-Casual-Restaurants bis die Mitarbeiter den Müll hinaustragen. Mit etwas Glück findet er darin abgepackte Lebensmittel die am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden dürfen.

Ja, SUSHI.

Sofort beginnt der Festschmaus, auf der Straße fährt eine Triumph Rocket 3 vorbei.
Wenn er erst aus diesem Schlafsack raus ist will er auch so ein Motorrad sein Eigen nennen und damit in London fahren, denkt er sich. Wenn nur nicht diese Traumatisierung wäre.

… … …

B R E X I T

Am 23. Juni 2016 war es soweit. Das Vereinigte Königreich sollte aus der EU austreten. Für die Briten ändert sich nicht viel, es wird sein wie in den Jahrhunderten davor:

Global business as usual

Doch etwas ändert sich doch,
es darf nur noch rein
wer rein soll.

… … …

[link]http://www.krone.at/oesterreich/mann-geohrfeigt-2-wiener-polizisten-suspendiert-vorfall-in-wohnheim-story-579951[/link]

Hoffentlich kann die Volksanwaltschaft oder eine NGO dem armen Obdachlosen helfen.
Weil es zum Thema passt, und leider jeden Motorradfahrer so ein Schicksal ereilen kann.

:cold_face:

Klingt interessant.

:grin: :dizzy_face: