TheTrumpeter
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Eins vorweg: ABARTIG!
Aber jetzt alles der Reihe nach... Da ich heute Früh meine Fazer zum (längst fälligen) 10.000er Service gebracht hab' und die Heimreise nicht unbedingt mit den Öffentlichen antreten wollte, wurde mir Zulassungsschein und Zündschlüssel einer so-gut-wie-neuen Yamaha MT-01 mit den Worten "Aber Achtung, bei 5.500 ist's vorbei" in die Hand gedrückt.
Moment, nochmal zurück. 5.500??? Was genau meint er jetzt? Kilometer? Nein, die kann doch keinen Selbstzerstörungsmechanismus eingebaut haben, der bei 5.500km aktiv wird. 5.500... was soll das heissen?
Am Weg zum Motorrad machte ich mir so meine Gedanken... als ich den Schlüssel ins Schloss steckte, wurde mir plötzlich alles klar: 5.500 Umdrehungen pro Minute! Der rote Bereich fängt doch tatsächlich exakt zwischen den Zahlen "50" und "60" an. Ach, mal das Kleingedruckte suchen. Vielleicht sind das ja nicht "50 x 100", sondern "50 x 200" Umdrehungen? Nein, da steht tatsächlich "x 100". Das Rätsel der 5.500 ist also gelöst.
Na gut, also Zündung an und Startknopf drücken... mit leichter Verzögerung beginnt ein anfangs unrundes Blubbern und Grollen, das mir durch und durch fährt. Wieviel Hubraum hat das Ding eigentlich? Viel, das ist klar, aber wieviel? Keine Ahnung, na egal, mal sehen wie das so fährt. Im Leerlauf zeigt die Nadel auf knapp unter "10", also nichtmal 1.000 Umdrehungen Standgas, alles vibriert, die vorderen Blinker zittern, aber der Tacho/Drehzahlmesser ist überraschend gut entkoppelt, da merkt man praktisch nichts. Na dann 1. Gang rein... Hoppla, was war das? Sehr leichtgängig und mit nicht allzu lautem, aber deutlichem "Klack" lässt sich der 1. Gang einlegen. Also los. Bisschen Gas, Kupplung langsam kommen lassen... das Blubbern und Grollen wird lauter, die sehr leichtgängige Kupplung kommt, die Fuhre ist in Bewegung, dabei sinkt die Anfahrdrehzahl kein bisschen. Leichtes Drehen am Gasgriff wird sofort in Schub umgewandelt. Jetzt wär's mal an der Zeit für den nächsten Gang... auskuppeln, schalten, einkuppeln. Da tut sich bereits die nächste Frage auf: Wie kann ein Motorrad-Getriebe nur so leichtgängig sein und warum muss die Kupplung einen derart breiten Operationsbereich haben? Fragen über Fragen...
Schön langsam wird mir aber mulmig, eine Tankuhr wär' nicht schlecht, weil wer weiss wieviel der Vorgänger im Tank gelassen hat... Nein, Tankuhr hat das Ding definitiv nicht. Aber was ist das? Ein orangenes Lämpchen leuchtet im Drehzahlmesser. Aja, Tankwarnanzeige. Stimmt, der Kilometerstand zeigt "F 3,1". Diese Anzeige kenn' ich ja von meiner Fazer. Sobald der Tank auf "Reserve" geht, zählt ein eigener Kilometerzähler. Wenn ich jetzt noch wüsste, wieviel Reserve da drin sind und wieviel das Ding schluckt, wär' mir schon leichter. Okay, nix riskieren, nächste Tankstelle anvisieren. Hab' dann einfach ordentlich eingefüllt, sollte etwas mehr sein als ich noch verfahren werde. (Wenn sich der Motor nicht als übermässig durstig herausstellt...)
Weiter geht's, die ersten paar Kilometer sind geschafft... Ich ertappe mich dabei, das Ding zu fahren wie einen Diesel. Ist aber auch kein Wunder! Ab 1.500 schiebt der Motor abartig an und dreht zügig bis 3.000, vielleicht 3.500. Darüber wirkt der Motor aber irgendwie "zugeschnürt", so richtig Freude macht ihm das Weiterdrehen nicht. Aber eigentlich ist's ohnehin egal. Völlig gleichgültig in welchem Gang und bei welcher Drehzahl man das Gas aufreisst, der Schub ist gigantisch.
Aber so richtig Spass macht die Fuhre nicht... Zwischen 1.500 und 1.800 nervt ziemlich ausgeprägtes Konstantfahrruckeln, ab 2.000 fängt's zu vibrieren an wie ein Einzylinder. Im Schubbetrieb kommt's ausserdem immer wieder zu Fehlzündungen, die von einem plötzlichen unangeforderten Vorwärtsdrang begleitet werden. Die Motorbremse macht also auch nicht wirklich Spass. Besser gleich den Gang rausnehmen und im Leerlauf zur Ampel rollen. Die Geräuschkulisse ist nur bis 2.500 interessant, darüber ist's einfach nur "normal". Im Stadtbetrieb kommt man zwar flott voran und ist immer schneller als man eigentlich vorhatte, die nötige Kraft für Spurwechsel ist aber auch ganz schön hoch. Im Freiland freut man sich schon auf etwas höhere Geschwindigkeiten, doch auf Grund der oben angesprochenen scheinbaren Drehunwilligkeit kommt man kaum über 160km/h, darüber wirkt der Motor einfach gequält.
Eins fehlt jetzt noch: Kurven! Beim Aufstellen vom Seitenständer, an der Ampel und beim Wegfahren fühlt sich das Motorrad eigentlich sehr leicht an. (Wie schwer ist sie eigentlich?) Erst wollt' ich einfach nur gemütlich heimfahren, aber dann hat's mich doch interessiert. Also kleinen Umweg, den ich mit der Fazer immer gerne fahre, eingeschlagen. Erstmal will ein Prolo-Golf überholt werden, was dank Drehmoment im Überfluss selbst im letzten Gang wohl die leichteste Übung ist. Jetzt geht's aber an's Eingemachte, Wechselkurven wollen durcheilt werden. Moment, sagte ich durcheilt? Nein, das wäre das falsche Wort. Ich WOLLTE sie zwar durcheilen, aber scheinbar bin ich zu schwach für diese Welt. Die MT-01 will von starker Hand in die Kurve gedrückt werden. Aber so richtig umfallen will sie nicht. Mag sie keine Schräglage? Setzen die Stützräder schon auf? Na gut, dann etwas gemächlicher... jetzt wieder aufrichten und auf die andere Seite werfen. Okay, jetzt versteh' ich auch, warum sie nicht in die Kurve fallen will... man könnt' sie dann nie mehr aufstellen und müsste die Kurve bis ans Ende seiner Tage fahren!
Gut, ich hab' alles gesehen und gefühlt. Mittlerweile schmerzt auch schon das rechte Handgelenk, dabei muss ich das Eisen später wieder zurückbringen. Aber dann darf ich ja glücklicherweise wieder mit meiner Fazer nach Hause fahren.
Einige Fragen müssen aber noch geklärt werden... Daheim angekommen wird also erstmal der Zulassungsschein herausgeholt... 66,3kW steht da, also wohl 91PS, bei 4.750U/min... (Drehmoment weiss ich jetzt nicht, aber es wird wohl weit jenseits der 100Nm liegen.) 1.670ccm aus 2 Zylindern... 259kg, also leichter als anfangs befürchtet, in schnellen Wechselkurven wirkt's aber viel schwerer, was vielleicht auch am "190/50ZR17", der hinten drauf ist, liegt. 210km/h Höchstgeschwindigkeit??? War da noch ein Gang, der für mich gesperrt war???
Die Rückspiegel sind übrigens nur dort, weil's der Gesetzgeber vorschreibt. Ich hab' keine Position gefunden, in der ich halbwegs was gesehen hätte. Egal wie ich sie gedreht hab' und wohin ich meinen Kopf auch bewegt hab', entweder konnte ich auf meinen Schultern überprüfen, ob die Protektoren verrutscht sind oder ich konnte den Landwirten auf den Feldern zusschauen... Die Fazer-Spiegel sind bei Weitem nicht perfekt, aber neben dem korreten Sitz der Schulterprotektoren kann man gleichzeitig auch die Fahrbahn hinter und neben sich kontrollieren.
Fazit: Wer auf viel Drehmoment, sprich grossen Hubraum mit möglichst wenig Zylindern steht, wird daran wohl seine Freude haben. Ob sie gefällt, muss individuell entschieden werden, mein Fall ist es nicht, wenngleich die abartige Geräuschkulisse bei niedrigen Drehzahlen doch die Blicke anzieht. Zum gemütlichen Cruisen sicher ein Traum, mich spricht Yamaha mit der MT-01 allerdings gar nicht an. Da bleib' ich lieber bei meinen 5stelligen Drehzahlen und der Gewissheit, "das derzeit handlichste Strassenmotorrad am Markt" (Zitat Motorradmagazin 03-2005) unter dem Hintern zu haben.
Danke MT-01, ich weiss jetzt, dass man auch ohne Durchschlängeln, hektischen Spurwechsel und extremen Schräglagen quer durch Wien kommt. Trotzdem würd' ich Dich niemals gegen meine Fazer eintauschen wollen.
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