Pfälzerwald - Woi und Plunz

Der Pfälzerwald ist dicht, blickdicht. Die meiste Zeit zieht man bergauf oder wedelt bergab, ohne jegliche Ausblicke. Nur selten ergibt sich eine Lücke zwischen den Bäumen, und dann lassen sich entweder noch mehr Bäume erblicken oder es taucht eine Burgruine auf. Die höchste Erhebung des Pfälzerwalds - die Kalmit - bringt es auch nur auf 673 Meter und 30 Zentimeter Höhe, was soll da schon drin sein :wink: ?

Gemütlich geht es entlang kleiner Dörfer wie Sarnstall und Rinnthal durchs Trifelsland. In Annweiler machen wir einen kleinen Umweg und ich treibe meine Honda Silver Wing 600 hoch hinauf zur Reichsburg Trifels. Ihr Name lässt schon erahnen, dass diese in 494m Höhe auf drei Sandsteinfelsen des Sonnenbergs thront. Zur Stauferzeit war die Burg Aufbewahrungsort für die Reichskleinodien Krone, Zepter, Reichsapfel, Schwert und Lanze. Sie war zugleich Reichsgefängnis, dessen prominentester Gefangener Richard Löwenherz war. Ganz in der Nähe der Festung erhebt sich der Rehberg (577m) aus dem hell-dunklem Grün der umliegenden Wälder. Zurück aus dem Mittelalter nehmen wir die berühmt-berüchtigte B48 im Wellbachtal unter die Räder. In über 20 traumhaften Kurven auf 13 Kilometern geht es in herrlichen Kurvenkombinationen hinauf Richtung Johanniskreuz. Das Tal wird mit zunehmender Höhe immer enger. Schilder weisen deutlich auf
Geschwindigkeitsbeschränkungen hin, die auch von der Rennleitung kontrolliert werden. Wenn man nicht zu Fuß heimwärts gehen will, würde man auf Pfälzisch jetzt sagen: Uffbasse!
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Am bekannten Bikertreff „Johanniskreuz“, mitten im Herzen des Pfälzerwalds, ist am frühen Morgen noch nicht viel los. Im Biergarten, gleich am Straßenrand, bleibt daher genug Zeit für zwei Cappuccini, ehe wir in das dunkle Grün des Elmsteiner Tals eintauchen. Hinter der gleichnamigen Gemeinde kommen wir auf die Hauptstrecke des Tales und sofort beginnt die Kurvenpracht. Rechts, links, rechts links… schwingen wir hier schnell hintereinander und in flottem Tempo auf einem der schönsten Abschnitte der Strecke den Speyerbach und an der Bahnlinie des historischen Kuckucksbähnels entlang. Eine fantastische Motorradstrecke unterhalb der Ruinen der mittelalterlichen Burgen Elmstein, Breitenstein, Erfenstein und Spangenberg.

Rebensaft und Flammkuchen

Wenn in jedem Ort ein Weinfest lockt, die Straußenwirtschaften in den malerischen Orten ihre Pforten öffnen, dann hat man die „Deutsche Weinstrasse“ erreicht. Ein Rebenmeer an den Hängen. Weinstöcke die dicke Trauben tragen, stehen links und rechts der Strasse Spalier. Darin eingebettet, wie an einer Perlenschnur aufgereiht, romantische Winzerörtchen mit bunt geschmückten Fachwerkbauten. Hier würden wir gerne einen Schoppen genießen.
Doch halt, der beinhaltet beachtliche 0,5 Liter Rebensaft, womit schnell für beste Stimmung gesorgt sein dürfte und das bei nur zwei Rädern unter`m Hintern. So bleibt es bei einem alkoholfreiem Weizen für mich und einem kleinen Weisburgunder für die beste Sozia der Welt. Dazu einen herzhaften elsässischen Flammkuchen mit Speck und Zwiebeln mit Blick auf den historischen Marktplatz von Neustadt an der Weinstrasse. Eine Straßenmusikantin spielt vor dem Brunnen französische Chansons; so lässt sich das leben genießen.
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Gestärkt an Leib und Seele muss ein Abstecher zum Hambacher Schloss, der Wiege der deutschen Demokratie, einfach sein. Im Mai 1832 wehte hier zum ersten Mal die schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Kastanienberg.
Von Maikammer bietet sich uns eine kleine Schleife auf schmalem Asphalt durch den Pfälzerwald an. Die Kalmithöhenstraße führt uns durch die Haardt, einen 90 Km langen Höhenzug, auf den Gipfel der Kalmit (673m), den höchsten Berg der Region, der eine gute Aussicht in die rund 500 m tiefer gelegene Oberrheinische Tiefebene bietet. Wir nehmen ein Stück der „Totenkopfstrasse“ unter die Räder und stoßen in St. Martin wieder auf die Weinstrasse. Mächtige Burgen und Burgruinen wechseln sich nun ab mit schmucken Weinörtchen. In Bad Bergzabern liegt das imposante, rund 500 Jahre alte Schloss sogar inmitten der Stadt. In ihm residierten einst die Herzöge von Pfalz-Zweibrücken.
Eigentlich endet hier unsere Tour. Oder doch nicht? Es ist schließlich nicht mehr weit nach Frankreich und dem Parc naturel régional des Vosges du Nord.

Ein kleines Stück Frankreich

In Wissembourg erwartet uns eines der schönsten Städtchen im Elsass. Das Stadtbild wird von mehreren Armen des Flusses Lauter geprägt und hat sein mittelalterliches Aussehen mit Fachwerkhäusern, engen Gassen und der alten Stadtmauer erhalten. In Sichtweite der gotischen Abteikirche Saints-Pierre-et-Paul, eine der größten Kirchen im Elsass, gönnen wir uns vor einem kleinen Bistro zwei Café au lait. Einige ältere Männer, mit frischen Baguettes unter dem Arm, treffen sich zu einem kleinen Plausch auf dem Marktplatz oder genießen auch schon zu Mittagszeit einen Pastis. Entspannt genießen wir das französische Flair.
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Der Asphalt der D51 klebt wie Pattex, als wir den Sprung über den Col du Pfaffenschlick (371 m) wagen. In Lembach, im Tal der Sauer, treffen wir in dichtem Gehölz auf den ersten Außenposten der so genannten Maginot-Linie, den Artilleriebunker „Four à Chaux. Die „Line Maginot“ wurde in den Jahren 1930 - 1940 als Verteidigungslinie erbaut.
In Zinswiller rollen wir in den „Forêt domaniale de Niederbronn“ ein und folgen dem Flusslauf der „Nördlichen Zinsel“ durch das idyllische Tal. Schmal, kurvenreich und weitgehend leer zeigt sich das Sträßchen auf seinem Weg durch die Nordvogesen und den Osten Lothringens (Département Moselle). Meine Siwi schnurrt auf rauem Vogesenteer; gelegentlich erdet uns das ein- oder andere Schlagloch wieder. Fernab der Hauptstraßen windet sich so eine, jede Menge Fahrspaß versprühende, Nebenstrecke durch den Hochwald.
Der Tag ist schon fortgeschritten, sodass das Knurren des Magens in leichtes Grollen übergeht. Der Hinweis „Chèvrerie“ auf einem vergilbten Schild am Straßenrand lässt mich daher in die Eisen steigen und auf einen kleinen Feldweg abschwenken. Kurz darauf verstummt der Motor meiner 600er Silver Wing vor dem Hofladen der Ferme du Steinbach. 200 Ziegen erwarten uns schon.
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Mit einem Gemisch aus Deutsch und Französisch bestelle ich eine Käseplatte sowie zwei Gläser Weiswein (das bleibt natürlich unter uns), die wir auf den Holzbänken der kleinen Terrasse genießen. Mehr braucht man nicht für ein Leben wie Gott in Frankreich. Etwas Ziegenkäse und einige Saucissons (französische Salami) verschwinden vor der Weiterfahrt natürlich auch noch in den Seitenkoffern.
Über Ober- und Niedersteinbach mit seinem berühmten Hotel-Restaurant „Au Cheval Blanc“, in dem Altbundeskanzler Helmut Kohl regelmäßig gesehen wurde, nehmen wir den schwarzgrauen Asphalt des idyllischen Steinbachtals unter die Räder. Die Straße führt durch eine waldige Hügellandschaft, immer am Bach entlang, ins Sauertal. Hier und da blitzt der Turm einer alten Burg zwischen den Bäumen hindurch, denn hoch droben wachen die Ruinen der Burgen Klein-Arnsberg, Wasigenstein, Frönsburg und das Château de Fleckenstein.
Wir streben auf der D925 nordwärts, Ein Stück entlang der „deutschen Schuhstrasse“ und schon rollen wir auf der Deutsch-Französischen-Touristikroute durch das weite Tal der Lauter, umgeben von tiefem Forst und den bizarren, rost-roten Gesteinsformationen des Dahner Felsenlands, deren leuchtende Farben je nach Tageszeit wechseln. Die Sonne verschwindet langsam hinter den Bergkuppen, als wir unsere Unterkunft in Hauenstein erreichen. Schee wars!
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Sehr schön geschrieben, gefällt mir wirklich sehr gut der Reisebericht, auch die Bilder finde ich schön.
Zu dem Hambacher Schloss werde ich wohl auch mal bei Gelegenheit einen Abstecher mache, wahrscheinlich wird das eher nächstes Jahr der Fall sein, außer es gibt noch einen warmen Herbsttag.

Super bericht Ralf :grin: da bekomme ich Reiselust, hoffe ich schaff mal in der Saison 2021 ne grössere Tour, Ideen lieferst du ja einige…