Einfluß Reifengröße bei Leistungsmessung auf Rollenprüfstand

Hallo

ist bei der Leistungsmessung am Rollenprüfstand der Reifendurchmesser von großer Bedeutung?
Wäre bei verschiedenen Reifen ein deutlich anderes Meßergebnis zu erwarten?
Konkretes Beispiel:
Messung Nr. 1 mit Pirelli Slick in der Größe 190/55 ergab eine Leistung von 160 DIN PS am Hinterrad.
Messung Nr. 2 (1 Jahr später gleicher Prüfstand) mit Dunlop Slick in der Größe 195/70 ergab nur noch 140 DIN PS am Hinterrad.
Es wurden keine Veränderungen am Motor vorgenommen und dieser scheint auch noch einwandfrei zu funtionieren.
Das Drehmoment ist von der Länge des Hebelarmes abhängig - somit eventuell auch vom Radius des Reifens. Der Radius des Reifens müsste somit in der Berechnungsformel der Softwäre hinterlegt sein. Dieser wird jedoch nicht extra eingegeben.
Da ich kein Mathematiker bin, bitte ich im Hilfe.
Mit rauchendem Kopf
Reifentoni

Hallo Reifentoni,

die Leistung am Hinterrad ist unabhängig vom Reifendurchmesser. Also im Prinzip müsste abgesehen von der Messtoleranz und/oder einer anderen Beschaffenheit des Reifens (Gummimischung, Temperatur, Aufbau etc.), bei unterschiedlichen Reifenumfängen die gleiche Leistung ermittelt werden. Was sich ändert ist die Zugkraft am Hinterrad.

Ein Motor erzeugt z.B. bei 12000/min ein Drehmoment von 110 Nm
Und eine Leistung von 170 PS bei 13000/min

Durch die Übersetzungen von Primärtrieb, der Getriebeabstufung und dem Sekundärantrieb dreht sich das Hinterrad z.B. im 6. Gang mit einer Drehzahl von 2400/min was einer Umfangsgeschwindigkeit von ca. 274 km/h entspricht.
Im 1. Gang beträgt die Drehzahl des Hinterrades nur noch 1250/min was einer Umfangsgeschwindigkeit von ca. 143 km/h entspricht.
Da der Motor in beiden Fällen mit 12000/min dreht und somit auch das Drehmoment gleich groß ist, ergibt sich eine höhere Zugkraft am Hinterrad im 1.Gang gegenüber dem 6. Gang.

Gleichung für das Drehmoment:

M=F x l
Moment = Kraft mal Hebelarm

Bei einem kleineren Hebelarm muss eine größere Kraft aufgewendet werden um das gleiche Moment zu erzeugen, oder bei gleichem Drehmoment und kleineren Hebelarm ist die Kraft größer. Das Übersetzungsverhältnis entspricht übrigens einem Hebelarm.

Gleichung für die Leistung:

P=W/t=Fs/t=Fv

Leistung = Arbeit/Zeit = Kraft * Kraftweg/Zeit = Kraft * Geschwindigkeit
1W=1J/s=1Nm/s

Kraft mal Geschwindigkeit entspricht also der Zugkraft am Hinterrad mal der Umfangsgeschwindigkeit am Hinterrad.
Ist der Reifendurchmesser kleiner; ist die Zugkraft am Hinterrad größer, aber durch die geringere Umfangsgeschwindigkeit des Reifens (wegen des kleineren Umfangs) wieder die Leistung gleich groß. In deinem Fall gibt es nur einen sehr geringen Zugkraftunterschied zwischen beiden Reifen.

Ein kleinerer Reifenumfang entspricht einer kleineren Übersetzung. Daher ist die Zugkraft am Hinterrad in den niedrigeren Gangstufen größer als in den oberen bzw. Zugkraft am Hinterrad im 1. Gang größer als im 2. Gang usw. Das Beschleunigungsvermögen ist im 1. Gang ja auch größer als im 2. Gang usw.
Trotzdem ist die Leistung gleich groß. Du kannst mal dein Motorrad im 5. Gang anstatt im 6. Gang messen, (geringer Umfangsgeschwindigkeit am Hinterrad) und du wirst sehen, dass dein Motorrad in beiden Gängen annähernd die gleiche Leistung besitzt.

In deinem Fall lag bei einer, oder bei beiden Messungen!!! entweder ein Messfehler vor, oder dein Motorrad war zwischen beiden Messungen unterschiedlich Leistungsstark, am Reifenumfang liegt es jedenfalls nicht.


Gruß Karsten Schwers
Testabteilung MOTORRAD
kschwers@motorpresse.de