Neuen Motor einfahren (sorry, aber die SUCHE funzt nicht!)

Hallo,

eigentlich wollte ich dieses Thema bei „Leser fragen, MOTORRAD antwortet“ unter „Motor“ posten, aber dann kam dieses hier: „Nur Moderatoren haben die Berechtigung, in diesem Forum Beiträge zu erstellen.“ Muß ich das verstehen?
Außerdem habe ich die SUCHE 3 mal probiert…ging nicht wegen geht nicht!
Von daher weiß ich nicht, ob das hier schon Thema war!

Zum Thema neuen Motor einfahren habe ich jetzt schon die verschiedensten Meinungen gehört, die Einen fahren zügig ein, die Anderen ganz sachte und Leute, die nach den Angaben der Hersteller einfahren.
Und dann gibt es noch eine Einfahrmethode „MotoMan“ aus den USA, die anfangs ziemlich rabiat klingt, mir persönlich aber immer mehr Sinn macht. Im Groben erklärt wird natürlich IMMER erst warmgefahren, relativ oft das Öl gewechselt und der Motor wird von Anfang an hart rangenommen. Warum das so sein soll steht in dem langen Text dieser Einfahrmethode, den jemand ins Deutsche übersetzt hat:

Einfahranleitung
Geschrieben von Koflair
Saturday, 11. December 2004
Da ich mich in letzter Zeit intensiv mit der Behandlung eines neuen Motors beschäftigt habe, will ich hier meine Conclusios mitteilen. Das meiste davon hab ich von Break In Secrets--How To Break In New Motorcycle and Car Engines For More Power.
Vorab - für mich war es relativ obererstaunlich, was ich hier gelesen habe. Aber es ist alles logisch erklärt, und daher denke ich, dass es korrekt ist.

- Motor IMMER warm fahren, bevor er beansprucht wird. Die meisten bleibenden Schäden entstehen, wenn der Motor noch zu kalt ist. Da stimmen die Maße im Motor noch nicht, und das Öl schmiert noch nicht gscheit weil"s noch kalt ist. Warmfahren am besten mit niedrigsten Drehzahlen und wenig Gas, da kann nicht viel passiern.

NEUEN MOTOR EINFAHREN: Muss innerhalb der ersten 30-50 Kilometer erfolgen!

1. Billiges, keinesfalls vollsynthetisches Öl einfüllen. Das Öl darf nicht perfekt schmieren. Hofer Öl 10W 40 auf Mineralbasis kaufen, 10l, je € 5,- pro Liter oder so, wenn nicht noch billiger…

2. Motor warm fahren.

3. Motor ab dann hart hernehmen, und zwar nach folgendem Schema: Drehzahl anfangs im Bereich 40% bis 70%, nach 10km bei 30% - 80% der Nenndrehzahl (mit Nenndrehzahl ist der Start des roten Bereichs gemeint) bewegen. Die Gänge 2, 3, 4 dabei mit nicht ganz Vollgas durchschalten (zunächst 60% Gas, später 80% Gas), danach Gas zu und den Motor abbremsen lassen. Durch das Gas zu entsteht oarger Unterdruck im Brennraum, und Öl wird vom Kurbelgehäuse hochgesaugt, das wiederum die gehobelten Späne raufspült, und die werden dann einfach ausgepufft…
Dann wieder die Gänge durchschalten, … selten mal auch mit Vollgas, aber nicht oft.
- Günstig geht das zB Sonntag früh (um Sechse oder so) auf einer dreispurigen Autobahn, wenn man durch die ständigen Geschwindigkeitswechsel niemanden stört.
- Oder man wählt eine rund geschnittene Bundesstraße, die eher höhere Geschwindigkeiten erlaubt und die wenige bis gar keine 50km/h Ortsgebiete hat.
- Oder man fährt am Ring eine ganz normale Trainingssession mit nicht viel Vollgas. Hart, aber nicht voll.
Am Prüfstand kann man das auch machen, aber da ist die fehlende Fahrtwindkühlung ungünstig.

4. Nach diesen 50-70km Öl wechseln. Filter auch wechseln. Die groben Metallspäne werden damit brav weggespült.
Wenn nicht, kommen sie ins Getriebe, gehen dort durch die Zahnräder und werden dabei zermalmt und sind fortan feine Partikel, die der Ölfilter nicht mehr derfiltert. Diese feinen Partikel haben die Eigenschaft, sich beim Kaltwerden des Motors in den engen Ölkanälen an den Wänden anzulegen. Da bleiben sie picken, können nicht mehr weggeschwemmt werden, und damit verengen sie den Öldurchlass. Die Ölpumpe muss härter pumpen, benötigt dafür Kraft, die Folge ist (geringer) Leistungsverlust und schlechtere Gesamtschmierung.

5. Weiterfahren, den Motor weiterhin hart hernehmen, und hin und wieder ab 40% Nenndrehzahl Vollgas bis 80 oder 90% Nenndrehzahl geben. Nach wie vor noch nicht auf Nenndrehzahl raufdrehen.

6. Bei 250km wieder Motoröl wechseln. Weiterhin Marke Billigstdorfer!

7. Bis 1000km weiterhin den Motor jeweils hart hernehmen. Stets den Motor sorgfältigst mit niedrigen Drehzahlen und wenig Gas warmfahren. Bei warmem Motor den „Blumenpflückmodus“ tunlichst meiden. Achtung auf hinterherfahrende, wegen der ständigen Tempowechsel. Ring wär wirklich gscheit.

8. 1000km Service machen. Darauf achten, dass beim Ölwechsel weiterhin ein Billigstdorfer Mineralisches Öl eingefüllt wird, Vollsynthese erst nach 3500-5000 Kilometer. VW hatte Anfang der 90er Jahre übrigens Probleme mit den Motoren, weil sie beim 1000km Service zu gutes Öl eingefüllt haben, und die Motoren dadurch nicht gscheit eingefahren wurden. Folge: Ölverbrauch und blow by (Benzin wird am Kolben vorbei in die Ölwanne geblasen, Benzin verdünnt nach und nach das Öl).

9. Weiterhin Höchstdrehzahlorgien vermeiden und wenn, dann nur ganz kurz Höchstdrehzahl drehen.

10. Bei km 3500 - 5000 ist der Motor komplett fertig eingefahren. Bereits ab 1000km war er im Prinzip fertig, aber jetzt sind auch die letzten Gleitstellen perfekt zurechtgeschliffen.
Nun kann die feine teure Vollsynthese eingefüllt werden, die den Motor nahezu unverwundbar macht. Ab jetzt verfügt man über einen Motor, der am Prüfstand sehr deutliche Werte wuchten sollte, und der innerlich sehr gesund ist, dessen Kolbenringe perfekt auf die Zylinderwände eingeschliffen sind, dessen Honmuster man im Zylinder nach wie vor erkennen sollte (glatt polierte Zylinderwände sind ein Alarmsignal!)

In einem Forum berichtete ein GIXX1000 Fahrer, dass ein Kumpel, der nach Handbuch eingefahren hat, 9 PS weniger hat als er, der es nach diesem Schema gemacht hat. 9 PS, das ist ka Pemmerl. Die 9 PS proportional übers gesamte Drehzahlband, dh der Motor produziert ganz einfach mehr Drehmoment, durch optimale Abdichtung und perfekte Gleitung der Kolbenringe im Zylinder.
ZITAT ENDE

Jetzt würde mich mal interessieren, was MOTORRAD dazu sagt, falls das Thema hier noch nicht besprochen worden ist. Wie gesagt, die Suche ging nicht!

Gruß Lonesailor

Hallo Lonesailor,

erst mal sorry für die verspätete Antwort. Ich war auf diversen Test-Produktionen, anderen Dienstreisen und auch mal im Urlaub.
Nun aber zur Antwort: Also, das Thema „Einfahren“ ist so alt wie das Motorrad selbst. Einfahrvorschriften wurden vor dem zweiten Weltkrieg von den jeweiligen Werken in der Regel geschwindigkeitsabhängig für jeden Gang verfasst. Klar, Serienmaschinen hatten ja auch keinen Drehzahlmesser. Die Triumph-Werke Nürnberg etwa druckten in den 30er-Jahren neben „Tausend Worten Fahrkunde“ einen detaillierten Einfahrplan fürs Modell BD 250 ab.
So etwas hat selbst in Zeiten enorm verbesserter Metall-Legierungen und Werkstoffqualitäten wenig von seiner Aktualität verloren. Als bei einer ZX-12R aus dem Testfuhrpark des deutschen Importeurs im Jahr 2000 bei voller Fahrt ein Pleuel riss, erhöhte Kawasaki kurzerhand die Einfahrdistanz auf geschlagene 3200 Kilometer. Ist das Fortschritt?
Allerdings kann ich mich erinnern, kurz zuvor bei einer Präsentation des damals neu aufgelegten Supersportlers ZX-6R gewesen zu sein. Ich hatte fast etwas Mitleid mit dem armen 600er-Motörchen, dass mit Drehzahlen von 12000 oder höher über eine spanische Rennstrecke gescheucht wurde. Und das mit nicht einmal 500 Kilometern auf der Uhr. Auf meine Nachfrage hin erklärte mir der zuständige Techniker von Kawasaki zu meiner großen Verblüffung: „Moderne Motoren müssen wegen der niedrigen Fertigungstoleranzen nicht mehr eingefahren werden.“
Wo also liegt die Wahrheit beim Einfahren? Irgendwo zwischen „gar nicht“ und 3200 Kilometern. Tatsache ist sicher, dass behutsames Warmfahren nach jedem Kaltstart nach wie vor das A und O für eine möglichst lange Motor-Haltbarkeit darstellt: Erst in warmem Zustand erreicht das Öl optimale Fließfähigkeit.
Außerdem sind die unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten der verschiedenen Komponenten des Motors (etwa Kolben und dessen Ringe aus Stahl in beschichteten Alu-Zylindern …) auf Betriebstemperatur berechnet und ausgelegt. Wer also mit kaltem oder halbwarmem Motor gleich Vollgas gibt, darf sich nicht über vorzeitigen Verschleiß wundern. Dies gilt über die gesamte „Lebensspanne“ des Motorrads.
Und das Einfahren selber? Wie Du es selber beschrieben hast, können wechselnde Drehzahlen bei wenig Last einen noch sehr jungen Motor zusätzlich stimulieren; sprich: das eine oder andere Extra-PS frei setzen. Dies sollte tatsächlich nicht zu spät erfolgen, doch sollte ein völlig jungfräulicher Motor nicht zu schnell voll rangenommen werden. fahren unter hoher Last (etwa gegen die Bremse fahren oder einen Sozius mitnehmen) ist dagegen eher Stress für den jungen Motor, den man Anfang vermeiden sollte.
9 PS zusätzlich allein durch ein spezielles Einfahrprozedere zu erreichen ist absolut unrealistisch. Und deine Definition von Blow-By-Gasen falsch: das ist nicht Benzin, das sich ins Öl mogelt, sondern die Verbrennungsgase, die durch den hohen Druck im Zylinder nach der Zündung zu einem winzigen Teil einen Weg an den Kolbenringen vorbei finden …
Kompletter Schmarrn ist folgende Formulierung: „Durch das Gas zu entsteht sogar Unterdruck im Brennraum, und Öl wird vom Kurbelgehäuse hochgesaugt, das wiederum die gehobelten Späne raufspült, und die werden dann einfach ausgepufft…“
Wenn dem so wäre, hätten die Ölabstreifringe zwischen Kolben und Zylinder wohl kaum eine Funktion; die Zylinderlaufbahnen rasch Riefen weg. So etwas kann im absoluten Einzelfall vorkommen, bei MOTORRAD zuletzt im Dauertest der Triumph Sprint ST. Die Regel ist so etwas aber nicht. Vielmehr ist es die Aufgabe des Motoröls, nicht nur zu Schmieren, Abzudichten und Wärme abzuführen, sondern auch Bearbeitungsrückstände zu binden und bis zum nächsten Ölwechsel in der Schwebe zu halten. Rasche Verfärbung des Öls nach „Dunkel“ ist also bestimmt kein schlechtes Zeichen!
Daher kommt dem ersten Ölwechsel nach rund 1000 Kilometern ein große Funktion zu. Mehrmalige Ölwechsel bis dahin sind unnötig. Man darf nicht vergessen, dass die Hersteller bei ihren Angaben absolut auf Nummer sicher gehen. Und wenn die das schon nicht vorschreiben …
Ein Wort zum Öl noch: Mineralöl statt Synthetischem Öl ist beim Einfahren tatsächlich von Vorteil. Es erhöht die innere Reibung, was zu diesem Zeitpunkt tatsächlich erwünscht ist. Doch von absolutem Billigöl ist dennoch abzuraten; auch wenn das Angebot noch so lockt und die API-Klassifikation möglichst hoch ist. Doch solche Klassifikationen beziehen sich einzig und allein auf Auto-Motoren. In einem Motorrad-Motor aber können die Drehzahlen locker doppelt bis dreifach so hoch ausfallen; hinzu kommen bei luftgekühlten Motoren bis zu doppelt so hohe Temperaturen an den oberen Kolbenringen.
Außerdem muss das Öl im Motorrad-Motor auch Kupplung und Getriebe schmieren, was im Auto bekanntermaßen nicht der Fall ist. Also auf jeden Fall ein gutes Motorrad-Öl kaufen, der Mehrpreis sollte es in Relation zur Neumaschine oder zu einem eventuellen Austauschmotor locker wert sein. Erst später dann auf teilsynthetisches oder gleich synthetisches Öl wechseln.
Übrigens: das einzige was zwischen den Flanken der Getrieberäder zermalmt wird, sind die langkettigen Öl-Moleküle. Übrigens ein Grund dafür, keine Öle mit zu großer Spanne zwischen Viskosität bei hohen und niedrigen Temperaturen zu kaufen; also kein 10 W 60! Und auch keine Super-Leichtlauföle für PKW à la 0 W „XY“. Und „grobe Metallspäne“ kommen heute eher seltener vor. Und wenn, bleiben sie im Ölfilter hängen, können allenfalls noch zu Spuren (Riefen) in der Ölpumpe führen.
FAZIT.
Ein alter Grundsatz gilt nach wie vor: Über die ersten paar hundert Kilometer die Drehzahlen kontinuierlich steigern, aber nie Voll-Last fahren. Denn für ein gutes Tragbild der Kurbelwellenlager spielen höherer Drehzahlen keine Rolle, hohe Drücke bei den bearbeiteten Flächen aber durchaus!
Aber aus all’ dem muss man keine Wissenschaft machen und das Einfahr-Prozedere auch nicht über viele tausend Kilometer ausdehnen. Macht MOTORRAD mit seinen Dauertest-Maschinen auch nicht. Und bei denen ist es heute eher die Regel als die Ausnahme, dass sich die Zylinderlaufbahnen nach 50000 Kilometern noch in neuwertigen Zustand befinden; die Hohnspuren vom Bearbeiten vor der Motor-Montage noch sichtbar sind.
Also: Gute, sichere und umsichtige Fahrt.
Und viel Erfolg beim Einfahren.

Beste Grüße

Thomas Schmieder